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12.05.2010

Familienrat in Treptow-Köpenick: Aus einer Vision wurde Innovation durch Kooperation / Familienräte auch in 2010

Auf der Abschlusstagung des Kooperationsprojektes „Familienrat für Treptow-Köpenick“ wurde eines sehr deutlich: Innovationen haben viele Mütter und Väter, sie brauchen einen langen Atem und eine zielführende Vision. Hinzu kommen die Offenheit Neues zu wagen und der Mut, neue Strukturen zu denken und neue Handlungsansätze in die Praxis zu führen.

Am 28.April kamen die Projektpartner DASI Berlin, Jugendamt Treptow-Köpenick und Fachhochschule Potsdam auf dem Gelände der Wissenschaftsstadt Adlershof zusammen, einem „hot spot“ in Sachen Hochtechnologie, einem Ort also, an dem Innovationen geradezu Verpflichtung sind. Das Wista-Management (con.vent) unterstützte die DASI Berlin bei der Organisation der Veranstaltung.

Grußwortsplitter

Ideengeber und Visionär in Sachen Familienrat, Prof. Frank Früchtel, der das Verfahren nach Deutschland brachte und heute an der Fachhochschule Potsdam lehrt, sah in der Umsetzung des Projektes eine „Sternstunde“. „Mit dem Projekt wurden einerseits erstmals über das neu entwickelte Evaluationsverfahren harte Fakten ermittelt, die endlich eine Vergleichbarkeit der Familienräte prinzipiell ermöglicht“, sagte Prof. Früchtel. Ein breiter Einsatz des Evaluationsinstruments in Berlin – und Deutschlandweit – ist angedacht. „Andererseits gelang es im Rahmen dieses Projektes Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit produktiv miteinander zu verbinden“, lobte Prof. Früchtel.

Für Frau Bartzok, der Geschäftsführerin der DASI Berlin, stand in ihrem Grußwort die Bedeutung des Verfahrens für die Familien im Zentrum. „Einer unserer wichtigsten Aufgaben und gleichzeitig eine der größten Herausforderungen für uns als freier Träger in der Sozialen Arbeit, ist die Stärkung der Menschen für sich und ihrer sozialen Verbände. Der Familienrat verbindet beide Aspekte. Er stärkt und motiviert den Einzelnen und läßt die Familie erleben, was sie für sich zu erreichen imstande ist“, sagte Frau Bartzok. Hierin stecke ein großes demokratisierendes und ausgleichendes Potenzial, das wir in einer Gesellschaft im Umbruch dringend benötigten.

Für Frau Brycki, Regionalleiterin beim Jugendamt Treptow-Köpenick und engagierte Vorreiterin in Sachen Familienrat im Bezirk, liegt die große Chance des Verfahrens in dem Potenzial zur Veränderung der Haltung in der Sozialen Arbeit. „Der Familienrat bietet die Chance zu einem Paradigmenwechsel“, hob Frau Brycki hervor. Nicht mehr entwicklungshemmende Fürsorge, sondern Aktivierung zu eigenverantwortlichem Tun stehe mit dem Familienrat an erster Stelle. Das Projekt gebe gute Gelegenheit, sich von der Wirksamkeit dieses Ansatzes zu überzeugen. 

Der Projektleiter der Kooperation und Leiter des DASI Netzwerkes Treptow-Köpenick, Matthias Kitzing, betonte in seinem Grußwort die organisatorischen Wege, die bei der Umsetzung von den Projektpartnern zurückgelegt werden mussten. „Das konnte alles nur geschultert werden, weil alle Beteiligten für die Idee des Familienrats brannten“, stellte Herr Kitzing heraus. Außerdem stelle der Familienrat als Verfahren eine wichtige neue Ressource für die Soziale Arbeit im Bezirk dar.

Ein Blick zurück

Im Herbst 2008 haben sich das Jugendamt Treptow-Köpenick, die Fachhochschule Potsdam und die DASI Berlin gGmbH zusammengetan, um in Treptow-Köpenick das aus Neuseeland stammende Verfahren des „Familienrats“ zu erproben. Damals wurde vereinbart, dass die DASI Berlin 10 Familienräte umsetzen soll, die von der Fachhochschule Potsdam evaluiert werden sollten. Im März 2009 konnte es dann losgehen und fünf Studierende der Fachhochschule machten sich gemeinsam mit einer erfahrenen Fachkraft der DASI Berlin im „Tandem“ auf den Weg, das Verfahren des Familienrates in Treptow-Köpenick umzusetzen. Jeweils ein Studierender bearbeitete mit der Fachkraft zwei Familienräte. Einmal in der Rolle des Lernenden und einmal in der Rolle des verantwortlichen Koordinators. Auf diese Weise waren alle Studierenden an der Vorbereitung, Umsetzung und Überprüfung von zwei Familienratsprozessen beteiligt. Die Evaluation erfolgte parallel mit einer weiteren Studierendengruppe der Fachhochschule.

Familienrat stärkt Lebenswelt

Der Familienrat ist ein Verfahren, das auf die Stärkung der der Familie eigenen Kräfte zur Alltags- und Lebensbewältigung zielt. Fachleute wie Sozialarbeiter, Psychologen oder Ärzte haben dabei eher eine beratende Rolle. Es werden von der Profiseite, man spricht in Anlehnung an den Soziologen und Sozialtheoretiker Jürgen Habermas auch vom (Hilfe)System, keine Vorschriften gemacht, z.B. wie eine Lösung aussehen soll. Vielmehr wird durch eine möglichst klare Sorgenformulierung im Setting des Familienrats auf die Notwendigkeit und Unausweichlichkeit einer Sorge entkräftenden Lösungsstrategie hingewiesen. Dies geschieht in aller Deutlichkeit - allerdings verbunden mit einem hohen Maß an Wertschätzung der Familie gegenüber, die gespeist wird von der Überzeugung, dass die Familie eigenständig und verantwortungsvoll den ihr eignen Lösungsweg finden kann.

Die Studierenden der KoordinatorInnen-Gruppe präsentierten zusammen mit der Projektkoordinatorin der DASI Berlin, Frau Viertel, anschaulich die Zielstellung des Projektes und dessen Umsetzung. Anhand einer Falldarstellung wurde der Familienratsprozess exemplarisch und in seiner konkreten Umsetzung den rund 50 Anwesenden vermittelt.

Prof. Früchtel referierte erste Zwischenergebnisse des quantitativen Teils der Evaluation. Die Auswertung der Fragebögen zeigte, dass aus den ursprünglich angedachten 10 möglichen Familienräten insgesamt 12 Meldungen wurden. In sechs Fällen konnte ein Familienrat realisiert werden. In acht Fällen kam es zu einer Planerstellung. Die in der Vorbereitungsphase angestrebte Aktivierung der Familien ist gelungen. Kommt es zum Familienrat, so werden auch tragfähige Pläne entwickelt. Das Verfahren wird von den beteiligten JugendamtsmitarbeiterInnen als nützlich eingestuft. Auch die Familien sind sehr zufrieden mit dem Verfahren.

Nicht nur die „harten Fakten“ der Erhebung sprechen für den Familienrat als Verfahren. Auch beim anschließenden Podiumsgespräch wurde nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Umsetzbarkeit und Nützlichkeit des Verfahrens gelobt. So werde die Einbeziehung der Familien in die Lösungsfindung im Rahmen des Familienrats als durchaus entlastend erlebt, wie eine RSD-Mitarbeiterin verdeutlichte.

Fazit

Die Tagung lieferte auf sehr anschauliche Weise Einblicke in die Projektarbeit der zurückliegenden 12 Monate. Es konnte gezeigt werden, dass auch in der Sozialen Arbeit Innovationen möglich sind und entsprechend in die Praxis übertragen werden können. Für das Jahr 2010 sind rund 18 weitere Familienräte in Treptow-Köpenick geplant.
Den Studierenden ist es gelungen, theoretisches Wissen einem Praxistest zu unterziehen. Dabei erlebten sie hautnah, wieviel positive Energie aktivierten sozialen Verbänden innewohnt. Ein Ergebnis, das im Hinblick auf zu lösende Professionalisierungsfragen in der Sozialen Arbeit von großer Bedeutung ist.
Mit dem entwickelten Evaluationsverfahren ist der Grundstein gelegt für die Erzeugung verlässlicher Daten zur Wirksamkeit des Familienratsverfahrens. Nur dadurch lassen sich Zweifel am Verfahren ausräumen und die Prozesse weiter optimieren mit dem Ziel, die Lebenswelt in ihrer Eigenverantwortlichkeit und Wirksamkeit zu stärken.

Text: Markus M. Jung

Fotos: Günter Porath

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Frau Bartzok, die Geschäftsführerin der DASI Berlin, eröffnet die Tagung
Frau Bartzok, die Geschäftsführerin der DASI Berlin, eröffnet die Tagung


"Familienrat bringt Paradigmenwechsel". Frau Brycki, Regionalleiterin im Jugendamt Treptow-Köpenick


"Eine Sternstunde", Prof. Früchtel von der Fachhochschule Potsdam bei seinem Grußwort


"Für die Idee brennen". Herr Kitzing, Bereichsleiter des DASI Netzwerks Treptow-Köpenick

Die ProjektmitarbeiterInnen (v.l.): Frau Laaß, Herr Hilbert, Herr Schütt, Herr Siebert und Frau Viertel
Die ProjektmitarbeiterInnen (v.l.): Frau Laaß, Herr Hilbert, Herr Schütt, Herr Siebert und Frau Viertel

In Kooperation Visionen zum Leben erwecken. Die TeilnehmerInnen des Podiumsgesprächs (v.l.): Prif. Früchtel (FHP), Herr Siebert (FHP), Frau Adami (Jugendamt), Frau Schütze (Jugendamt), Frau Viertel (DASI Berlin), Herr Becker (Jugendamt), Herr Schütt (FHP), Frau Brycki (Jugendamt), Herr Jung (Moderation, DASI Berlin)
In Kooperation Visionen zum Leben erwecken. Die TeilnehmerInnen des Podiumsgesprächs (v.l.): Prif. Früchtel (FHP), Herr Siebert (FHP), Frau Adami (Jugendamt), Frau Schütze (Jugendamt), Frau Viertel (DASI Berlin), Herr Becker (Jugendamt), Herr Schütt (FHP), Frau Brycki (Jugendamt), Herr Jung (Moderation, DASI Berlin)